Der Namensstreit an der Universität Greifswald – Worum es geht und was die Senator*innen bei ihrer Namensentscheidung wissen müssen

von Christof Hardmeier

Im Jahre 1993 wurde ich als Professor auf den Lehrstuhl für Altes Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Greifswald berufen. Schon ab 1994 habe ich mich in vielen Kommissionen und Senatsausschüssen engagiert und mich in der Dekanats-Verantwortung sowie als langjähriges Mitglied des Senats für das Ganze der Universität eingesetzt. Bis zu meiner Emeritierung im Jahre 2008 lag mir besonders viel an ihrer politischen Neutralität und Unabhängigkeit, ihrer wissenschaftlichen Reputation und der interdisziplinären Zusammenarbeit. Während dieser ganzen Zeit spielte der Universitätsname Ernst Moritz Arndt für mich, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Aufgrund meiner neuzeitgeschichtlichen Marginalkenntnissen verwechselte ich ihn anfänglich sogar mit dem großen nachreformatorischen Theologen und Namensvetter Johannes Arndt (1555-1621) und fand ihn bis zu den ersten Debatten um 2000/2001 unhinterfragt einen würdigen Namenspatron. Allerdings schlugen auch die damaligen Diskussionen um den historisch immer schon höchst umstrittenen Ernst Moritz Arndt und der schon damals beantragte Namensverzicht keinerlei universitäts- oder gar stadtöffentliche Wellen wie in der Gegenwart und ließen mich kalt, ohne dass ich mich mit der Materie näher beschäftigte. Auf diesem berufsbiographischen Hintergrund nehme ich zum aktuellen Namensstreit und zur anstehenden Entscheidung über die Beibehaltung oder Ablegung des Universitätsnamens „Ernst Moritz Arndt“ Stellung.Erst in den Jahren 2009 und 2010 kam es überhaupt zu einer ernsthaften und wissenschaftlich fundierten Debatte über die Beibehaltung oder Ablegung des Namens, die auf der Website der Universität unter „Ernst Moritz Arndt“ dokumentiert ist. Sie wurde im Rahmen der Diskussion um das Leitbild der Universität und ihre corporate identitity geführt, die eigentlich nur durch einen fraglos breiten Konsens unter allen Angehörigen der Institution legitimiert werden kann. Demgegenüber fand die Senatsentscheidung vom 17. März 2010 für die Beibehaltung des Namens mit 22 zu 14 Stimmen nicht einmal eine Zweidrittel-Mehrheit. Als Folge davon entbrannte der Namensstreit aufgrund des Senatsantrags auf Namensänderung vom 21.12.2016 vor einem Jahr erneut, seit Januar 2017 allerdings in einer Art und Weise, die an Heftigkeit, Polemik und Unsachlichkeit alle früheren Debatten übertraf. Polemisch aufgeheizt durch politische Kampagnen, Diffamierungen und persönliche Angriffe – fällt deshalb heute eine nüchterne und besonnene Sachentscheidung im Interesse der Universität besonders schwer, zumal sie als Bildungsstätte und Körperschaft des öffentlichen Rechts unbedingt zur politischen Neutralität und allein der Freiheit von Forschung und Lehre verpflichtet ist.Aber auch in der Sachdebatte seit 2009 gab und gibt es eine verwirrende Vielfalt von Argumenten, die für oder gegen eine Neubenennung sprechen, als Entscheidungsgrundlagen jedoch wenig hilfreich oder gar irreführend sind. Dabei ist der Vortrag In seiner oder unserer Zeit? Methodische und inhaltliche Überlegungen zum Namenszusatz der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald von Prof. Dr. Jörg Echternkamp (Potsdam), den er als externer historischer Experte bei der wissenschaftlichen Anhörung am 11.12.2009 gehalten hatte, auf der entsprechenden Uni-Website leider nicht dokumentiert, weil er nur für den Dienstgebrauch bestimmt war. Doch bietet dieser Beitrag die geschichtswissenschaftlich entscheidenden Kriterien für eine fundierte Urteilsbildung in der Patronatsfrage jenseits von Bauchgefühlen, interessegeleiteter Meinungsmache und irreführender Geschichtsargumentationen.Zur Urteilsbildung in der Patronatsfrage ist nach Echternkamp zum einen das Kriterium der Traditionswürdigkeit einer historischen Person entscheidend, das heißt konkret die heutige Eignung Ernst Moritz Arndts (im Folgenden E.M.A.) als vorbildlicher Namenspatron und Identifikationsfigur für die Universität Greifswald. Davon ist zum andern der symbolpolitische Akt der Vergabe oder Änderung eines Namens für Universitäten zu unterscheiden, die sich im Laufe der Geschichte mit diesem Namen gemäß ihrem jeweiligen Selbstverständnis entweder identifiziert haben oder im Falle einer Ablegung des Namens nicht weiter identifizieren wollen, was gegenwärtig in Greifswald zur Entscheidung ansteht. Unter diesem zweiten Gesichtspunkt müssen dann aber auch alle früheren Entscheidungen von 1933, 1954 und 2010 in Betracht gezogen werden.

1. Die Eignung und Traditionswürdigkeit E.M.A.s als Patronatsname für die universitäre corporate identity ist zwar in erster Linie eine historische Expertenfrage. Doch lässt sie sich –wie bei allen geschichtswissenschaftlichen Urteilen – nie objektiv oder absolut, sondern immer nur graduell und stets auch abhängig von späteren Gewichtungen der Person entscheiden, die sich aufgrund von weiteren geschichtlichen Entwicklungen und historischen Einsichten im Laufe der Rezeptionsgeschichte auch gewaltig verschieben können. Unter diesem Gesichtspunkt sind die Argumente zu bewerten, die Vergleiche mit anderen Universitäts-Benennungen ziehen.a) Unproblematisch, aber als Argument völlig irrelevant sind Namen wie „Eberhard-Karls-Universität Tübingen“, „Ruperto Carola“ Heidelberg, „Georg-August-Universität Göttingen“oder „Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn“, weil sie sich auf die Gründer dieser Universitäten beziehen und damit allein deren historische Initiative und meist fürstliche Großzügigkeit ehrend in Erinnerung bewahren, ohne weitere Identitätsstiftende Funktionen.

b) Eine zweite Kategorie bilden Namen wie „Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg“oder „Friedrich-Schiller-Universität Jena“. Obschon beide Universitäten in den Jahren 1933bzw. 1934 von den Nationalsozialisten nach der Machtergreifung so benannt wurden, stehen die Traditionswürdigkeit dieser kultur- und geistesgeschichtlichen Größen und damit auch ihre Eignung als Namenspatrone über alle verheerenden Kultur- und Traditionsbrüche der deutschen Geschichte des 20. Jhdts. hinweg außer Frage.Besonders im Falle Martin Luthers haben Theologie und Kirche seit den fünfziger und sechziger Jahren gründlich Abschied genommen vom nationalprotestantischen Heldenbild des Reformators. Und seine indiskutablen Schattenseiten (Bauernkriege, Judenfeindlichkeit, etc.) wurden bis heute sowohl zeit- als auch wirkungsgeschichtlich gründlich und selbstkritisch aufgearbeitet. Niemals aber konnten und können diese historischen Irrungensein überragendes Gesamtwerk aufwiegen, das nebst der Bibelübersetzung mehrere Buchregal-Meter umfasst, oder seine reformationsgeschichtlich außerordentliche Bedeutung für die Neuzeit und Moderne tiefer beeinträchtigen, wie zuletzt auch das Lutherjahr gezeigt hat. Allein in den jüngsten theologischen Standard-Lexika umfassen die Einträge zu Martin Luther 81 Seiten (TRE) bzw. 43 engbedruckte Spalten (RGG4).c) Im krassen Gegensatz dazu steht die Benennung der Universität Rostock im Jahre 1976nach dem Mitbegründer von Spartakusbund und KPD sowie späteren DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck, der nach der Wende jede Traditionswürdigkeit verlor. Als rein politische Parteigröße ohne jede wissenschaftliche oder kulturgeschichtliche Bedeutung eignete er sich schlechterdings überhaupt nicht als Identifikationsfigur und Namenspatron für die Universität,so dass sie um 1990 sofort rückbenannt wurde.

2. Im Vergleich zur eindeutigen Eignung oder Nicht-Eignung von Patronatsnamen verschiedener Universitäten (a – c) aufgrund ihrer Traditions(un)würdigkeit ist der Fall „Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald“ komplexer. Einerseits wurde auch ihr (vgl. oben b) im Jahre 1933 – beschämenderweise besonders auf das eifrige Betreiben der deutsch-(pseudo) christlichen Universitäts-Theologen Heinrich Laag und Walter Glawe – von Hermann Göring der Name E.M.A. verliehen. Andererseits aber sind die Traditionswürdigkeit von Ernst Moritz Arndt und seine Eignung als Namenspatron bis heute heiß umstritten.Die Gegner einer Weiterführung des Namens (Baumgartner, Buchstein, Klüther und Stamm-Kuhlmann) verweisen u.a. auf den unerträglichen Franzosen-Hass, die völkisch-rassistische Ideologie, die krasse Judenfeindlichkeit und den militanten Nationalismus im Werk von E.M.A. und vor allem ihre fatalen rezeptionsgeschichtlichen Auswirkungen bis in die Zeit des Nationalsozialismus, die eine heutige Identifikation der Universität mit diesem Namen unmöglich machen. Damit begründen sie m.E. schlagend den heute notwendigen Verzicht auf diesen Namen.Demgegenüber zeichnen die Befürworter wie die Kirchenhistoriker I.Garbe und R.Staat sein wesentlich positiveres und differenzierteres Bild von E.M.A. als historische Person und prominente Größe der „Wirkungsgeschichte“. Er war durchaus von einer (allerdings völlig unpolitischen) persönlichen Christus-Frömmigkeit geprägt, wie die beiden Kirchenlieder aus seinen schwersten persönlichen Krisenjahren um 1819/20 (Katheder-Sperrung, Berufsverbot) zeigen, die noch heute im Evangelischen Kirchengesangbuch stehen (Nr. 213 und 357). Auch war er ein engagierter Kämpfer gegen die Leibeigenschaft und setzte sich für demokratische Freiheiten gegenüber jeder Art von Despotie und Instrumentalisierung von Menschen durch Menschen ein.Doch kann auch Garbe nicht verschweigen, dass E.M.A. ideologisch zutiefst in „seinerdeutschen Nationalstaatsvision“ befangen war und ihn zu jenen breit belegten „Verstiegenheiten“, „ideologischen Verungleisungen und Ausfälle(n)“ getrieben hat, die die Gegner einer Namens-Beibehaltung zu Recht scharf kritisieren. Zwar mag dieser deutsch-national-demokratische Freisinn die „moralische Integrität Arndts“ als homo politicus der Romantik und des 19. Jahrhunderts historisch (!) „im Kern nicht betroffen“ haben (Garbe). Aber aus heutiger Sicht – nach den Erfahrungen und Auswirkungen dieses völkisch-nationalistischen Demokratie-Verständnisses im 20. Jh. und der Universalität der grundgesetzlich verankerten Menschenrechte (!) – ist sein Name als traditionswürdige und identitätsstiftende Benennung unserer Universität unhaltbar.Auch R.Staats will wissenschaftlich mit einschlägigen historischen Belegen zeigen, dass„die Wirkungsgeschichte Arndts durch spätere epochale Daten der deutschen Geschichte(1871, 1918, 1933) zu einer Geschichte von Missverständnissen geworden war“. Doch belegt er damit eher unfreiwillig, dass E.M.A.s Werk und Wirken so zeitgebunden, so vielfältig, und – abgesehen von seiner patriotisch-deutsch-nationalen Befangenheit – in sich auch so inkonsistent und heterogen war, dass sich jede spätere Geschichtsepoche daraus je nach Zeitgeist „ihr“ Bild von Arndt machen und sich auf „ihren“ Arndt berufen konnte, um ihn für ihre je eigenen politischen und ideologischen Gegenwarts-Interessen in Anspruch zu nehmen.Denn auch in geschichtswissenschaftlicher Hinsicht gibt es gar keine „wirkungsgeschichtliche Missverständnisse“ sondern nur „rezeptionsgeschichtliche“ Versionen von Vergangenheit und entsprechend unterschiedliche Bilder von historischen Persönlichkeiten, die unweigerlich von den Erinnerungs- und Vergegenwärtigungs-Interessen der jeweiligen Zeit mitbestimmt und abhängig sind. Das können auch rein geschichtswissenschaftliche Interessen an einer historischen Person wie E.M.A. in ihrer Zeitbedingtheit und um ihrer selbst willen sein. Doch kann die Beibehaltung oder Ablegung eines Patronatsnamens rein historisch-wissenschaftlich nicht entschieden werden, sondern ist als symbolpolitischer Akt immer eine Gegenwarts-Entscheidung von Nachgeborenen –schon um 1933 und 1954, aber auch im Jahre 2010 und heute (!). Zwar ist die historische Beurteilung eines Namenspatrons durch die Fachwissenschaft im Blick auf dessen Eignung als historische Identifikationsfigur entscheidend.Aber die heute anstehende gegenwartspolitische Entscheidung kann nicht davon absehen, dass und warum E.M.A. als Namenspatron in Abhängigkeit vom jeweiligen Zeitgeist politisch-ideologisch instrumentalisiert und in Anspruch genommen wurde, was man nicht einfach – wie Staats es tut – als ideologischen Missbrauch verharmlosen und abtun kann. Aufgrund dieser rezeptionsgeschichtlichen Vieldeutigkeit und Instrumentalisierbarkeit ist Arndts Name – wie im Folgenden zu zeigen ist – als Patronatsname der Universität nicht mehr haltbar.3. Nach R. Staats war nicht nur der „Verzicht auf Arndts demokratische Grundhaltung … in Hitler- Deutschlands Bürgertum weit verbreitet“, sondern für die damals tonangebende Intelligenzia hatte auch „der Christ Arndt nichts mehr, der deutsche Heide aber Gewaltiges zu sagen“. Diese ebenso breiten und einflussreichen wie neu-heidnisch und anti-demokratisch gesinnten Kreise der Zwischenkriegszeit haben nicht nur den Zeitgeist der Dreißiger-Jahre geprägt.Sie haben dementsprechend auch das historisch facettenreiche Bild von Arndt auf einen wortgewaltigen völkisch-religiösen Nationalhelden reduziert und ihn gegen die Siegermächte zum glühenden Vorkämpfer eines freiheitlichen „Deutschlands über alles“ hochstilisiert, was jedoch in Arndts publizistisch umfangreichem Werk durchaus auch reichlich Anhalt fand.Bei der Benennung der Universität Greifswald im Jahre 1933 wurde somit der Arndt-Name nicht von den nationalsozialistischen Machthabern ideologisch missbraucht, sondern in seiner völkisch-nationaldemokratischen Verkürzung und von den deutsch-(pseudo-)christlichen Theologen des „Stahlhelms“, der damaligen Greifswalder Intelligenzia und den Burschenschaften propagandistisch aufgeheizt und der namenlosen Universität übergestülpt, um sich den neuen Machthabern besonders ehrerbietig zu erweisen und die Institution mit dem neuen, siegreichen Zeitgeist zu identifizieren. Die beschämenden Umstände, unter denen es um 1933 überhaupt zu einer Patronats-Benennung kam, sind deshalb aus heutiger Sicht ein wesentlicher Anlass, den Arndt-Namen abzulegen, um sich damit zugleich auch unzweideutig von den damaligen Umständen zu distanzieren, die mit diesem Patronatsnamen auch heute noch und für immer unlösbar verbunden sind. Allerdings zeigt der heftig und polemisch geführte Namensstreit der vergangenen Monate, dass rechtspopulistische und neo-nazistische Kreise innerhalb und außerhalb der Universität auch heute wieder geschichtspolitisch dabei sind, durch emotionale Aufheizung des Streits die Beibehaltung des Arndt-Namens leidenschaftlich zu verteidigen, weil er allein für sie und ihre Sache einen hohen Symbolwert hat.Eine andere radikale Verkürzung und Vereinseitigung des Arndt-Bildes machte es nachdem Krieg auch den DDR-Machthabern um 1954 möglich, den Arndt-Namen für die Greifswalder Universität trotz seiner gegenteiligen Instrumentalisierung in Hitler-Deutschland im Einklang mit der Ideologie des „Arbeiter und Bauern Staates“ weiterzuführen. R. Staats nennt dafür u.a. „Arndts Kampf für die Bauernbefreiung“ und „gegen Ausbeutung und Junkertum“, seine „Forderung nach einer Volksarmee“ sowie seine antiimperialistische „Propaganda für das Recht der gewaltsamen Selbstbefreiung von Völkern, die imperialistisch unterdrückt werden“, wofür man sich ebenso reichlich auf andere Schwerpunkte der Arndt-Schriften berufen konnte. Doch auch dieses in ganz anderer Weise einseitige und verkürzte Arndt-Bild wurde von der DDR-Regierung und der SED verordnet, und die Universität damit ein zweites Mal für herrschende politisch-ideologische Zwecke instrumentalisiert. Auch die Namens-Beibehaltung in der DDR-Zeit war somit keine freie und autonome Entscheidung über einen geeigneten Namenspatron gemäß dem universitären Selbstverständnis. Vielmehr war sie genauso wie schon 1933 zwar nicht vom damals herrschenden Zeitgeist fremdbestimmt, sondern um 1954 von den politisch-ideologischen Staats- und Parteiinteressen der DDR, was sich auch in den DDR-Ausgaben der Arndt-Schriften niedergeschlagen hat, die u.a. durch Auslassungen von zentralen, aber ideologisch „gefährlichen“ Textpassagen stark manipuliert waren.4. Für die anstehende Entscheidung des Greifswalder Senats hat dieser rezeptionsgeschichtliche Rückblick auf die historische Person E.M.A.s und die zeitgeschichtlichen Umstände, unter denen es um 1933 zu seiner Wahl als Namenspatron und in der DDR-Zeit zur Beibehaltung des Universitätsnamens kam, die folgenden Konsequenzen:

4.1 Ernst-Moritz-Arndt als Namenspatron der Universität Greifswald ist aus heutiger Sicht durch die deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts unwiderruflich diskreditiert.Auch ist er heute im Vergleich zu den universitären Namenspatronen Luther, Goethe oder Schiller nur noch eine Fußnote der Geschichte (0 Eintrag in der o.g. TRE, 1 Spalte in derRGG4). Die Universität sollte sich schon aus diesen Gründen von ihrem Patronatsnamentrennen.

4.2 Eine Beibehaltung des Namens beschädigt dauerhaft ihre corporate identity und ihr Selbstverständnis als international offene und politisch neutrale Bildungsinstitution auf der Basis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und der dadurch garantierten Freiheit von Forschung und Lehre.

● Eine Rettung des Namens unter Verweis auf Arndts freiheitliche und demokratische Gesinnung (R. Staats) verkennt ihre primär völkisch-nationalistische Gebundenheit,die im 20. Jahrhundert die Instrumentalisierung Arndts für die Ziele und Zwecke primär der nationalsozialistischen Diktatur ermöglichte. Sein Name ließ sich aber mutatis mutandis auch für das DDR-Regime symbolpolitisch instrumentalisieren.

● Wer heute für die weitere Beibehaltung des Namens eintritt, bekennt sich deshalb zwangsläufig auch zu Arndts „polit. Nationalitätsgedanken, der aus seiner Zeit heraus(Freiheitskriege) verständlich, aber für die spätere dt. Gesch.“ nicht nur „verhängnisvoll“ (RGG4 I, S. 787) wurde, sondern in seiner völkischen Ausprägung auf dem Bodendes Grundgesetzes auch verfassungswidrig ist. Das im 20. Jh. rezeptionsgeschichtlich entstandene, völkisch-nationalistische Image E.M.A.s mit seinen verhängnisvollen Auswirkungen im NS-Staat lässt sich von seiner Person nicht mehr trennen.Deshalb ist E.M.A. als Patronatsname der Universität heute obsolet und unbrauchbar geworden.

● Auch kann „die Beibehaltung des Greifswalder Universitätsnamens“ nicht zur „ernsthafte(n) Wiederentdeckung und Auseinandersetzung mit Arndt als Erinnerungsort“dienen (I. Garbe). Denn der Senat steht heute allein vor einer geschichts- und symbolpolitischen Entscheidung und kann damit die Universität als corporate personality entweder erneut mit E.M.A. als Namenspatron und seinem geschichtlich entstandenen Negativ-Image identifizieren oder sich von diesem, durch die Geschichte des 20. Jh.s endgültig diskreditierten Namen trennen. Garbes erinnerungs- und geschichtspädagogische Gründe für eine Beibehaltung verkennen den ausschließlich symbolpolitischen Charakter der anstehenden Senatsentscheidung und sind deshalb als Begründungs-Argumente unbrauchbar.

● Bei der bevorstehenden Senatsentscheidung geht es deshalb auch nicht darum, ob man E.M.A. als historische Person gut oder schlecht findet, ob man ihm ein würdiges Andenken,wenn auch zur selbstkritischen Neubesinnung setzen will oder ob man mit ihm irgendwelche sonstigen Gefühle (pommersche Heimat, Solidarität mit den Unterdrückten,…) verbindet. Es geht allein darum, ob sich sein Name heute noch dazu eignet, für die corporate identity der ganzen Universität zu stehen.4.3 Schon in den Namensdebatten der Jahre 2009 und 2010 fand Echternkamps geschichtswissenschaftlich fundamentale Unterscheidung der Traditionswürdigkeit eines Namenspatrons vom geschichts- und symbolpolitischen Akt der Vergabe oder Änderung eines Patronatsnamens in ihrer Brisanz und Tragweite kaum Beachtung.

● Auch die jüngst vom Senat gestartete Meinungsumfrage hat die historisch-politisch komplexe Namensfrage leichtfertig und unbesonnen auf ein schlichtes „gefällt mir/gefällt mir nicht“ reduziert und die Suggestion geweckt, es könne in dieser symbolpolitischen Entscheidungsfrage irgendwelche „Kompromisse“ (zwischen mehr oder weniger „Arndt“) geben, um die Friedenssehnsucht in diesem hässlichen Meinungsstreit zu bedienen. Zwar sind die Ergebnisse der Umfrage ohnehin nicht repräsentativund bindend. Vor allem aber gehen sie völlig an der zur Entscheidung stehenden symbolpolitischen Grundsatzfrage vorbei.Am 21. Dezember geht es erneut um eine heutige (!) geschichts- und symbolpolitische Senatsentscheidung des Jahres 2017 (!). Deshalb muss unbedingt auch das gesamtpolitische Klima von heute mit berücksichtigt werden. Allein die aufgeheizte, monatelange Debatte, die in der OZ, in den sozialen Netzen und sogar auf dem Greifswalder Markt geführt wurde und in die sich auch namhafte Lokal-, Partei- und Landespolitiker eingeschaltet haben, zeigt überdeutlich, dass und wie sich dieses Klima gegenüber 2010grundlegend verändert hat.

● Nicht nur aus dieser Debatte, sondern vor allem aus dem Beitrag von Michael Gratz2017 („Der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte“ oder wer liest heute Arndt?) geht ganz klar hervor, in welch breitem und erschreckendem Maße E.M.A. in jüngster Zeit zum Bannerträger der neo-nationalistischen Rechten geworden ist. Sein völkisch-nationalistisches Erbe gehört im Netz zu den Grundbausteinen ihrer verfassungsfeindlichen Ideologie und Propaganda, die u.a. von geschichtspolitischen Demagogen der AfD wie Björn Höcke prominent vertreten und betrieben wird.

● Diese Rattenfänger greifen dazu verbreitete und verständliche politische Unzufriedenheiten mit den soziopolitischen Verhältnissen besonders in den neuen Ländern auf und lenken sie auf ihre Mühlen. Dazu gehört nicht zuletzt auch die westdeutsche Dominanz in der Politik und an den Universitäten Ostdeutschlands seit der Wende, die vielfach und nicht ohne Grund auch als Demütigung empfunden wurde und viele Berufskarrieren und Lebensperspektiven beeinträchtigt oder beschädigt hat.Das hat z.B. nicht nur antisemitische Tendenzen oder das Ressentiment gegen „Westprofessoren“ befördert, sondern auch die ungeschichtliche Sympathie für den romantischen Freiheitskämpfer E.M.A. gegen das heutige „System“ bestärkt, wovon sich die symbolpolitische Namensentscheidung jedoch nicht leiten lassen darf.4.4 Angesichts dieser neuen politischen Gesamtsituation im Jahre 2017 muss sich deshalb die Universität Greifswald heute strukturell aus den gleichen geschichtspolitischen Gründen vom Namen E.M.A. trennen, wie sich die Rostocker Universität im Jahre 1990 vom Namen Wilhelm Pieck trennte (vgl. oben 1c), um damals den Ruf einer SED-Kader-Schmiede loszuwerden.

● Da E.M.A. heute zum Bannerträger der neuen Rechten und einer erstarkten völkisch nationalistischen Alternative für Deutschland sowie zum Vordenker ihrer demagogischen Propaganda geworden ist, muss sich die politisch neutrale Universität Greifswald auf dem Boden des Grundgesetzes von diesem Image unbedingt trennen.

● Wer heute für die weitere Beibehaltung dieses Namens eintritt, bejaht eine weitere Instrumentalisierung der Universität durch rechtspopulistische und verfassungsfeindliche Kräfte, deren Geistesverwandten schon im Jahre 1933 bei der Namensvergabe Pate gestanden haben.

● Eine weitere Beibehaltung des Namens E.M.A. würde deshalb die Universität nichtnur zu einer Vorreiterin dieser völkisch-nationalistischen Alternative für Deutschlandvon heute machen, sondern sie auch zu ihrem tiefen eigenen Schaden unheilbar politisierenund dauerhaft spalten. Es ist das Gebot der Stunde, gegen diese völkisch-nationalistischen und verfassungsfeindlichen Kräfte innerhalb und außerhalb der Universität Widerstand zu leisten und deshalb das historisch wie gegenwartspolitisch zerstörte Image E.M.A.s als Patronatsname abzulegen. Allein damit kann nach bösartigem Streit der innere Friedeninnerhalb der Universität wieder hergestellt werden, damit Forschung und Lehre in Freiheit und unabhängig von politischen Präferenzen und Einstellungen gedeihen können. Schließlich steht ja auch das Weihnachts- und Friedensfest vor der Tür!Greifswald auf dem Boden des Grundgesetzes von diesem Image unbedingt trennen.
●Wer heute für die weitere Beibehaltung dieses Namens eintritt, bejaht eine weitere Instrumentalisierung der Universität durch rechtspopulistische und verfassungsfeindliche
Kräfte, deren Geistesverwandten schon im Jahre 1933 bei der Namensvergabe
Pate gestanden haben.
● Eine weitere Beibehaltung des Namens E.M.A. würde deshalb die Universität nicht
nur zu einer Vorreiterin dieser völkisch-nationalistischen Alternative für Deutschland
von heute machen, sondern sie auch zu ihrem tiefen eigenen Schaden unheilbar politisieren
und dauerhaft spalten. Es ist das Gebot der Stunde, gegen diese völkisch-nationalistischen und verfassungsfeindlichen Kräfte innerhalb und außerhalb der Universität Widerstand zu leisten und deshalb das historisch wie gegenwartspolitisch zerstörte Image E.M.A.s als Patronatsname abzulegen. Allein damit kann nach bösartigem Streit der innere Frieden
innerhalb der Universität wieder hergestellt werden, damit Forschung und Lehre in
Freiheit und unabhängig von politischen Präferenzen und Einstellungen gedeihen
können. Schließlich steht ja auch das Weihnachts- und Friedensfest vor der Tür!